40 Bilder, 34 Rahmen, 7 Texte, eine Installation. Am 3.9.2022 begann Schirin Moaiyeris erste Einzelausstellung in der Pop Up Gallery 20square7. Mit „Ahnungen – eine Lesung“ und der dazugehörigen Installation sorgten Burcu Türkers Texte ab dem 6.9. für neuen Kontext. Zwei Künstlerinnen, zwei Vernissagen, eine Lesung. Als Teil des Kollektivs Die Goldene Discofaust arbeiten die Freundinnen bereits seit 10 Jahren zusammen. Auf das gemeinsame Heft Ahnungen II folgt nun die gemeinsame Ausstellung.
Alles wollen und doch nie alles können – ein Dilemma, dem sich die Fotografin und Künstlerin Schirin Moaiyeri mit Malereien, Zeichnungen und Collagen annähert. Das Thema beschäftigte sie besonders während der Pandemie: Gleichwertig häuften und sammelten sich ihre Werke über Wochen im Atelier. Nun finden die Arbeiten den Weg raus aus der Isolation, rein in die Gesellschaft. Wie im trügerischen Fiebertraum bewegen sich Formen, Farben und Figuren. Die Darstellungen sind mehr Suchen als Finden, das Papier eher Mittel als Zweck. Aus lustvoller Linienführung werden abstrakte Abenteuer. Ein Konzept, das alles zeigt: In dieser kleinen Utopie ist Geduld keine Tugend, Masse besiegt Klasse, Quantität macht Qualität. Die spielerische Reise führt uns fernab von vorgezeichneten Wegen.
Auch Burcu Türkers Worte schlagen neue Wege ein, wenn sich salziger Schweiß fließend zwischen Falten sammelt. Bei der Comicautorin und Illustratorin werden Ahnungen zu einer schwebenden Installation. Mit ihren Arbeiten fasst sie alltägliche Gefühle in außergewöhnliche Worte. So geht es in den Texten um Zeit verlieren, Schlaf finden, kalte Hitze, trockene Kälte, leise Stürme und laute Stille. Für die Ausstellung wurden diese Gedanken zu transparenten Puzzlestücken. Hier spuken Zeitgeist und Tagtraum, mal mit klaren Ansagen, mal mit weichen Antworten.
Keine Macht der Gewohnheit. Von Aquarell über Blei-, Filz- und Buntstifte bis hin zu Textmarker und Fineliner. Weiße, lila, graue Rahmen, bunte Acrylplatten – bei Moaiyeri und Türker gibt es weder Anfang noch Ende, die Wirkung ist das Ziel. Die beiden Künstlerinnen machen Probieren zur Praxis, hier zählt Prozess statt Perfektion. Sinn und Zweck dürfen Betrachtende sich selber suchen. Finden ist kein Muss.
Text: Sontje Liebner